Malen an verlassenen Orten
Haus am See
Meinen Horizont erweitern, meiner inneren Stimme folgen, aber auch feinfühliger und achtsamer mit mir selber und meiner Umwelt werden. Viele Impulse und Gedanken gingen dieser Reise voraus. Und an irgendeinem Moment vor ungefähr 3 Monaten habe ich mir die Frage gestellt: „Warum will ich eigentlich wirklich auf diese Reise gehen?“, oder noch präziser: „Was ist meine Intention?“ An einem Punkt vor der Abfahrt hatte ich dann einen Moment der Klarheit in Begegnung mit dieser Frage. Es war wie ein Leuchten vor meinem inneren Auge, als ich mir vorgestellt habe, wie die Malerei, die mich ja schon seit vielen Jahren begleitet, das Hauptaugenmerk dieser Reise sein soll. Ich habe mir vorgestellt, wie ich an verlassenen Orten, Bilder auf Wände bringe, die wirklich meinem inneren Impuls, meiner Energie in diesem Moment an diesem Ort entspringen.
Bis Albanien bin ich nun gefahren, um dieses Haus auf dem Wasser aufzufinden. Im Bauprozess sichtbar abrupt gestoppt, inzwischen eingewachsen, verlassen, schon teilweise zerstört und von Vögeln bewohnt steht es da und strahlt für mich Ruhe und eine verwunschene Energie aus. Die Geschichte zu diesem Haus kann ich mir nur in meiner Fantasie ausmalen. Und auf einmal holt mich diese Intention, an verlassenen Orten zu malen, wieder ein. Hier steht dieses Haus und ich habe das Auto voller Farbe. Eigentlich ein ganz einfacher und jetzt pragmatisch betrachtet logischer nächster Schritt. Bei dem jetzt so konkreten Gedanken, diese wunderschöne Wand zu bemalen kommt Freude in mir auf. Gleichzeitig fängt mein Herz an zu klopfen, mein Verstand schickt mir Warnsignale und fängt an, die wildesten Szenarien zu stricken. Und auf einmal stehe ich vor einer inneren Mauer. Es gibt eine offene Tür in dieser Mauer, dahinter sehe ich eine große Wolke ganz in Licht gehüllt. Diese Wolke stellt für mich das Unberechenbare, das Unvorhersehbare, das Verbotene und meine größte Lust in diesem Moment dar. Dieses Gefühl in einem Wort: LUSTANGST. Es ist wie ein Ringen, wie ein innerer Kampf. Moral, Verstand, Gefühl, Intention, Lust, Angst, sie alle sind im Gemenge und ringen um das letzte Wort. Mir springt der Spruch, den ich mir gut sichtbar im Bus angebracht habe in das Blickfeld: EINFACH MACHEN. Damit ist die Entscheidung gefällt.
Hiermit übergebe ich mein Handeln in den Lauf von Zeit und Raum. Ich stehe dazu und weiß auch, dass sich hier die Gefühle für Moral, Achtsamkeit, und Rücksichtnahme innerhalb von Kulturkreisen, aber auch von Mensch zu Mensch unterscheiden. Das Gleiche ist auch der Fall in Bezug auf den Umgang des Menschen mit der Umwelt, mit Tieren, mit anderen Menschen und mit sich selber.
Und endlich kann ich eintauchen. Ich stehe an der Wand und setze die ersten Linien. Schicht für Schicht löst sich in mir die Anspannung, ich komme an. Im Hier, im Jetzt. Nehme alles um mich herum mit absoluter Klarheit auf. In der Ferne höre ich ein Boot, von welchem ich nur die Silhouette erkennen kann. Es knallt, Wasservögel flattern auf. Wird hier geschossen? Ich weiß es nicht. Ich bin in meinem Element und fließe.
Vor meine Abfahrt befreie ich noch ein paar Quadratmeter Erde von Müll, welcher hier liegen gelassen wurde, als stille Dankesgeste. Wo der Müll aus der Mülltonne dann wohl landet? Ich weiß es nicht und denke mir nur, die Menschheit hat ein Müllproblem, hier ist es nur sichtbarer als z.B. in Deutschland.
Kuhställe
Schon aus der Ferne sehe ich diese verlassenen Betonhallen auf der großen Ebene stehen. Ich halte an, und beim näheren erkunden stelle ich fest, das hier wohl einige Kühe untergebracht waren als hier noch betrieb herrschte. Mich fasziniert, wie sich die Natur in den Strukturen bereits breit gemacht hat. Diese Anlage steht wohl schon eine Weile leer. Ich beschließe hier ein paar Tage zu bleiben und mich der Malerei zu widmen. Während ich im Haus male werde ich Zeuge wie dieser Ort rege als Müllkippe genutzt wird. Trotz des miserablen Zustands der Strukturen, der offensichtlichen “egal”- Haltung der Bevölkerung gegenüber dieses Ortes, habe ich ein mulmiges Gefühl beim Malen. Was, wenn mich hier jemand sieht? Könnte die Polizei kommen? Was könnten die Konsequenzen sein? Was haben die Menschen für einen Bezug, zu dem, was ich da tue (Malen). Ist das überhaupt mit Logik zu erklären? Kann ich hier überhaupt irgendwas erklären, wenn wir nicht mal die selber Sprache sprechen? Ich kann diese Fragen alle nicht beantworten und lasse mich im Endeffekt auch nur teilweise davon beirren. An einem Punkt ist ein Hirte mit seinen Schafen in der Nähe, ich halte inne und tue anderes. Im Nachhinein bin ich froh mich mit diesen Gefühlen konfrontiert, -und es trotzdem getan zu haben. Und doch stelle ich mir die Frage, ob es auch andere Wege gibt an mein Glück zu kommen. Wen könnte ich denn fragen, wenn ich so eine Struktur wie diese hier sehe und auf Nummer Sicher gehen will? Auch diese Frage lässt sich nicht so leicht beantworten.
Das Abenteuer geht weiter und ich bin dankbar für die Erfahrungen und Momente, die ich hier erleben durfte.